Ich bin ein 15 Jähriges Mädchen und ich fühle mich schon seit längerer Zeit richtig schlecht. In manchen Moneten geht es, aber ich weiß einfach nicht mehr weiter. Mir macht Schule soviel Druck (nicht wegen meinen Eltern) und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Ich fühle mich im Unterricht nicht wohl, aber weiß ich warum. Ich bin leider auch sehr schüchtern und habe schon immer Probleme damit gehabt mich mündlich zu beteiligen. Doch leider ist mir (erst vor kurzem) aufgefallen, dass ich mich seit Corona angefangen hat mich gar nicht mehr traue mich zu melden. Ich möchte zwar aber ich schaffe es einfach nicht und wenn ich so drangenommen werde, habe ich einen totalen Blackout. Ich habe auch beim lauten Vorlesen vor der Klasse starke Probleme mich wirklich auf den Text zu konzentrieren, weil ich immer daran denken muss was die andern denken. Dadurch verlese ich mich immer wieder. Irgendwie kenne ich mein ganzes Leben schon nicht laut vorlesen. Auch nicht vor meiner Familie, weil ich mich sonst immer verlesen würde oder gar nicht mehr lesen könnte. Außerdem habe ich panische Angst jeden Abend vor der Schule, weil ich mich irgendwie blamieren könnte.Allgemein mache ich mich leider immer selbst so fertig wegen jeder Kleinlichkeit die ich falsch gemacht habe. Es schreckt mich leider sehr in meine Leben ein. In fast jeder Alltagssituation bin ich überfordert. Ich kann da nicht mit meinen Eltern drüber sprechen, aber habe das Gefühl ich muss da mit jemanden drüber sprechen. Deswegen schreibe ich. Außerdem wollte ich fragen, ob das hier nur für einmal ist oder ob man wirklich in Kontakt bleiben kann, damit wenn es mir nicht gut geht ich mit jemanden schreiben kann. Leider geht es mir mental auch einfach sehr schlecht und ich kann einfach nicht glücklich sein und habe öfters Panikattacken wegen der Schule oder einfachen Alltagssituationen. Es schreckt mich wirklich so ein, dass ich mich gar nicht mehr auf Schule oder was anderes konzentrieren kann.
Ok das wars jetzt erstmal und ich möchte mich auch schon im Voraus bei Ihnen bedanken :)
Ich fühle mich mental nicht gut
Hallo liebe Marissa,
ich erkenne mich fast zu 100% wieder in Deinem Text (zumindest mein damals 15-jähriges Ich) und vielleicht erleichtert es Dich schon ein wenig, wenn Du weißt, dass Du damit nicht allein bist - das bist Du nämlich nicht.
Ich finde toll, dass Du den Mut gefunden hast, Dich hier mitzuteilen und schaust, wo Du Dir Hilfe holen kannst. Ich denke, das ist ein guter und wichtiger erster Schritt.
Ich möchte Dir gerne ein bisschen was von mir erzählen, weil ich glaube, dass das für Dich interessant sein könnte.
Ich habe auch wirklich große Probleme mich mündlich zu beteiligen und mir machen jegliche soziale Situationen großen Druck und vor allem Angst. In Konfrontationen habe ich manchmal ähnliche Ausfallerscheinungen wie Du und das verstärkt die Angst wieder in solche Situationen reinzugehen und erzeugt Panik. Auch mich schränkt das in vielen Bereichen im Alltag sehr ein. Ich habe mich immer gefragt, was mit mir los ist. Warum bin ich anders? Wieso fallen mir Dinge so schwer, die andere mit Leichtigkeit schaffen? Was ist falsch mit mir!? Ich war auch im Kleinkind-Alter schon auffällig zurückhaltend, doch es kam keinem in den Sinn, das mal zu hinterfragen und genauer nachzugucken. Ich habe mich die ganze Kindheit und Jugend durchgequält, alles war angstbesetzt und ein einziger Kampf. Ich bin auf ganz viel Unverständnis gestoßen, wurde in der Schule gemobbt, weil ich so still war. Ich habe immer mehr vermieden, mich immer mehr zurückgezogen. Das hat mich wütend gemacht, vor allem auf mich und ich fing an mich dafür selbst zu bestrafen.
Vor etwa zwei Jahren wurde ich dann zur Therapie geschickt und mir wurde unter anderem eine Soziale Phobie diagnostiziert. Das hat viel Erleichterung geschaffen - endlich hatte ich Klarheit was mit mir nicht stimmt und endlich hat auch mein Umfeld verstanden, wieso ich mich so verhalte. Sie und ich haben verstanden, dass es nicht daran liegt, dass ich mich nicht genug anstrenge oder mir keine Mühe gebe. Das hat vieles leichter gemacht, sowohl die Erwartungen anderer als auch eigene Erwartungen sind deutlich geschrumpft. Ich wusste nun, es hat einen Grund, wieso ich so bin - ich bin nicht schuld und ich mache nichts falsch. Ja, ich bin anders als die anderen und ich habe es oft schwerer, aber ich weiß nun, dass es nicht an mir liegt.
Ich habe in der Schule einen Nachteilsausgleich bekommen und das hat unglaublich viel Druck genommen. Durch meine fehlende mündliche Beteiligung in der Schule habe ich immer schlechte Noten bekommen, obwohl ich gut war. Durch den Nachteilsausgleich ist geregelt, dass meine schriftlichen Leistungen stärker bewertet werden als meine mündlichen. So wird mir der Druck genommen mich regelmäßig melden zu müssen und meine Soziale Phobie wird mir in den Noten nicht mehr zum Nachteil. Auch ist festgelegt, dass ich keine Vorträge vor der Klasse halten muss.
Die Schule ist immer noch ein angstbesetzter Ort, überfordernde Situationen bleiben nicht aus, aber es ist deutlich erträglicher geworden.
In der Therapie lerne ich mit meinen Ängsten im Alltag umzugehen und gut zu mir zu sein. Ich lerne, mich immer wieder in die Konfrontation zu begeben und nicht zu vermeiden, das ist wichtig. Aber ich lerne auch meine Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren.
Wieso ich Dir das erzähle... Ich möchte meine Erfahrungen mit Dir teilen und Dir zeigen, wie wichtig es ist, dass Du damit nicht alleine bist und Dir Hilfe holst, auch vor Ort. Es gilt den Druck all das schaffen zu müssen zu verringern und Dich zu entlasten. Mein erster Schritt damals war es, mich an den Vertrauenslehrer an meiner Schule zu wenden. Vielleicht hast Du auch eine*n Vertrauenslehrer*in oder Sozialpädagog*in an deiner Schule? Wenn Du Dir vorstellen könntest, Dich an so jemanden zu wenden, dann könntest Du es auch erstmal mit einer E-Mail versuchen - es muss nicht direkt der persönliche Kontakt sein. Wenn der Schritt aber noch zu groß ist, dann schreib vielleicht erstmal hier und wir schauen, was der nächstkleinere Schritt sein könnte. Ich weiß, dass sowas viel Mut und Überwindung kostet.
Liebe Marissa, zum Abschluss möchte ich sagen: Ich habe gelernt, mich so zu akzeptieren wie ich bin und ich wünsche Dir von Herzen, dass Du das auch irgendwann kannst. Ich weiß, wie schwer es ist, ich weiß, wie frustrierend es ist und ich weiß, was für ein Kampf das ist. Ich möchte Dir mit diesem Beitrag Mut machen und Dir zeigen, dass es leichter werden kann und dass Du damit nicht alleine bleiben musst. Fühle Dich verstanden und gesehen!
Viele ermutigende Grüße,
Memory
Kommentar des Mädchenhauses:
Liebe Marissa,
wir haben ja bereits Kontakt zu dir in der Safe Area aufgenommen, deshalb werden wir hier im Offenen Forum nicht weiter auf deinen Beitrag eingehen.
Wir finden memorys Beitrag sehr hilfreich, möchten dazu aber gerne ergänzend anmerken, dass die Beantragung eines Nachteilsausgleiches immer individuell geprüft werden sollte, weil es je nach Situation zu Vor- und Nachteilen führen kann. In einer persönlichen Beratung würden wir immer gemeinsam schauen, welcher Weg für dich der passende wäre.
Herzliche Grüße aus der Anlauf- und Beratungsstelle