Ein Tag wie jeder andere. Frühstück nicht geschafft, Mittag nicht geschafft, Abendessen verweigert. Meine Eltern sind sauer und lassen mich das spüren. Dabei kann ich gar nichts für meine Dauer-Übelkeit, den Würgereiz, sobald ich einen Bissen in den Mund nehme oder überhaupt nur dran denke. Ich versuch's doch, immer wieder, würge es runter, es ist quälend, aber ich tu's so gut ich kann. Und 15 Minuten später rebelliert mein Körper und alles kommt mit Bauchschmerzen wieder raus.
Ich habe keine Essstörung, aber schon immer ein gestörtes Verhältnis zu essen. Liegt wohl daran, dass Mum eine Essstörung hat und sie trotz meinen 19 Jahren immer noch mein Essen abwiegt und ich Zuhause noch nie das Recht hatte selbst zu entscheiden, was und wie viel ich essen möchte. Vielleicht ist die Übelkeit ein unbewusster Versuch aus dieser Kontrolle auszubrechen, ich weiß es nicht. Ich trag diese Übelkeit schon Jahre mit mir rum, mal ist sie weniger, mal mehr im Vordergrund, aktuell ist es wieder besonders schlimm und ich merke, dass es so nicht weiter gehen kann. Mum verzweifelt, weil ich nicht esse, was sie mir vorsetzt - ich auch. Ich frage mich (und euch), ob es irgendetwas gibt, was mir das Essen erleichtern könnte.
Ich verspreche mir keine Hilfe... und wenn dieser Beitrag nur dazu da ist, um dem Forum wieder einen Funken Leben zu geben, dann ist das auch okay.
~ Memory
Übelkeit
Er brodelt vor Wut. Weil ich nur die Hälfte des Joghurts gegessen hab und ich mich nicht über das tolle Abendessen freue, was Mum gekocht hat. Ich sage nichts, versuche mir das Essen runterzuzwingen, während ich seine Wut spüre und nur darauf warte, bis der Drache Feuer spuckt. Sogar die Kartoffel, die auf der Würgereizliste ganz weit oben steht, lasse ich diesmal nicht unberührt. Ich beruhige mich mit dem Gedanken, es zur Not danach wieder auskotzen zu können und versuche ein bisschen mehr zu schlingen, damit es schneller vorbei geht. Doch nach der Hälfte ist meine Kehle wie zugeschnürt. Böse Blicke und dann - die Eskalation. Sie tun das, was ich gegessen hab, als "nichts" ab, sehen meine Bemühungen nicht, geben mir zu verstehen, dass es nur an meinem Willen liege, wie viel ich esse, während ich verzweifelt versuche verständlich zu machen, dass Wut es ganz sicher nicht leichter für mich macht.
Traurig sitze ich nun vor meinem PC. Wünsche mir Zeiten zurück, wo ich Kind und die Familie noch heile war.
~ Memory
Hallo memory,
vielen Dank für deinen Beitrag im offenen Forum und herzlich willkommen in der Onlineberatung des Mädchenhauses!
Es sind aktuell leider keine Mädchen* und jungen Frauen* online, deswegen antworten wir dir nun.
Du beschreibst sehr ausfühlich deine Situation. So können wir uns ein Bild machen, wie es dir geht. Das was du beschreibst klingt für uns nach einer Form von Essstörung, auch wenn dein Eindruck ist, eine Essstörung sei nicht die Ursache deiner Schwierigkeiten beim Essen. Essstörungen können viele unterschiedliche Gründe und Verläufe haben. Aus unserer Erfahrung ist eine Anbindung an einen Thereapeuten/eine Therapeutin wichtig, um wieder gesund zu werden. Darüber hinaus haben wir auch das Gefühl, dass noch andere Belastungen bei dir mitreinspielen. Was hälst du davon zu uns in die Beratungsstelle zu kommen? Hier können wir uns in Ruhe kennenlernen und schauen was du brauchst und wie wir dich unterstützen können. Wir können auch in der safe area weiterschreiben. Wie klingt das für dich?
Herzliche Grüße aus der Beratungsstelle!
Danke für die Antwort!
Ich antworte jetzt hier, aber du (ihr?) kannst (könnt) den Beitrag gerne in die Safe Area verschieben und wir können dann dort weiterschreiben.
Den Begriff Essstörung finde ich deshalb nicht passend für mich, weil Essstörungen (glaube ich) etwas bewusstes sind. Es sind bewusste Entscheidungen, man handelt bewusst und aktiv gegen seinen Körper. Das ist bei mir nicht so. Ich möchte meinem Körper nicht schaden, ich möchte nicht abnehmen, ich achte auch nicht auf Kalorien. Ich würde ganz normal essen, wenn da nicht die Übelkeit wäre. Als Störungsbezeichnung finde ich es also eher unpassend, als Zustandsbeschreibung aber in Ordnung.
Und ja, ihr habt recht mit eurem Gefühl, dass bei mir noch andere Belastungen mit reinspielen. Die Übelkeit ist nur ein Symptom, die Antwort meiner Psyche...
In Therapie bin ich schon seit ein paar Jahren, musste vor etwa einem Jahr die Therapieform wechseln, allerdings komme ich dort nicht so gut klar und sie hat auch extrem viel Urlaub. Also wenn man gerade etwas Stabilität gefunden hat und anfängt ein Thema aufzumachen, dann ist sie wieder vier Wochen weg...
In die Beratungsstelle kommen möchte ich ungerne, weil ich durch meine Soziale Phobie viel leichter schreiben kann als zu reden. Es ist so schön sich hinter dem PC zu verstecken und naja, ich habe Stunden Zeit um über meine Worte nachzudenken. ;) Wenn man mit mir redet, entstehen immer so unangenehme Schweigepausen, weil die Worte nicht über meine Lippen wollen. In der Therapie schweigen wir manchmal die ganzen 50 Minuten, weil sie mich nur anstarrt und wartet - das find ich furchtbar. Zum Reden brauche ich Vertrauen - zum Schreiben nicht.
Magst du/Mögt ihr sagen, wer mir hier schreibt? Ich weiß nicht so ganz, wie ich dich/euch ansprechen soll - die Pluralform verwirrt mich ein bisschen. *unsure*
Herzliche Grüße zurück,
Memory
Halo memory,
wir haben deinen Beitrag nun in die safe area gezogen und werden dir dort antworten. Der Bereich der safe area ist geschützt. Niemand außer dir und uns Kolleginnen* kann deine Beiträge und unsere Antworten dort lesen. Wenn es in den Anfragen eher konkret und um tiefer gehende persönliche Themen geht, kann es sinnvoll sein, sich selbst zu schützen und nicht mehr im Offenen Forum zu schreiben.
Herzliche Grüße aus dem Mädchenhaus Bremen